In den letzten Jahren ist die Gewalt gegen Rettungskräfte, Feuerwehr- und Polizeibeamte in Deutschland deutlich gestiegen. Diese Einsatzkräfte sind häufig Ziel von Beschimpfungen, Bedrohungen und sogar körperlichen Angriffen. Dabei handelt es sich keineswegs um Einzelfälle oder Extreme, sondern um ein zunehmend verbreitetes gesellschaftliches Problem, das sich auf vielfältige Weise zeigt – von verbaler Aggression bis hin zu tätlichen Übergriffen bei Notdienst-Einsätzen. Gründe dafür sind unter anderem emotionale Spannungen bei Betroffenen, gesellschaftliche Frustrationen sowie Fehlwahrnehmungen über die Einsatzkräfte. Im Folgenden wird das Phänomen gewaltsamer Übergriffe gegen Rettungskräfte umfassend beleuchtet, Ursachen erörtert, aktuelle Studien ausgewertet und präventive Maßnahmen vorgestellt, die zur Erhöhung von Sicherheit und Respekt beitragen sollen.
Häufige Formen der Gewalt gegen Rettungskräfte und Ursachen im Einsatzalltag
Gewalt gegen Rettungskräfte äußert sich häufig in Form von Schlägen, Wegschubsen, Anspucken oder verbalen Beleidigungen. Eine großangelegte Studie des Lehrstuhls für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum, unterstützt von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, hat bereits vor einigen Jahren diese Formen aggressiver Übergriffe systematisch erfasst. Die Ergebnisse wurden 2024 durch eine Umfrage des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) bestätigt: Fast die Hälfte aller Feuerwehrangehörigen gab an, in den letzten zwei Jahren bei Einsätzen beleidigt, bedroht oder in ihrer Arbeit behindert worden zu sein.
Typische Ursachen der Gewalt im Rettungsdienst sind:
- Psychische Erkrankungen, die zu aggressivem Verhalten führen können
- Alkohol- oder Drogenmissbrauch bei Patienten oder Angehörigen
- Emotionale Spannungen wie Angst, Wut oder Frustration in Notfallsituationen
- Soziale Brennpunkte und Konfliktsituationen, etwa in Großstädten mit Obdachlosigkeit oder Partyzonen
- Missverständnisse und Vorurteile gegenüber Rettungskräften, z. B. häufige Infragestellung von Kompetenz, insbesondere bei weiblichen Einsatzkräften
Hier zeigt sich, dass Gewalt nicht nur von einer aggressiven Minderheit ausgeht, sondern oft in engem Zusammenhang mit der jeweiligen Notfallsituation steht. So berichten Notfallsanitäterinnen, dass Patienten mit Diabetesunterzuckerung durch den fehlenden Blutzucker häufig gereizt und aggressiv reagieren können. Auch alkoholbedingte Ausfälle oder psychische Krisen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Übergriffen.

Aktuelle Zahlen im Überblick:
Einsatzkraft-Typ | Angriffserfahrung in den letzten 2 Jahren | Vorherrschende Angriffsform |
---|---|---|
Berufsfeuerwehr | 75 % | Beleidigung, Bedrohung, Körperliche Angriffe |
Werkfeuerwehr | ca. 50 % | Verbale Übergriffe |
Freiwillige Feuerwehr | Über 50 % | Verbale und physische Übergriffe |
Die Zahlen zeigen deutlich: Gewalt gegen Einsatzkräfte ist kein Randphänomen, sondern betrifft einen Großteil der Helfenden in Deutschland.
Gesellschaftliche Entwicklungen und die Rolle von Angst, Frustration und Respektlosigkeit
Hinter der steigenden Gewaltwelle steckt oft mehr als nur individuelle Aggression. Die Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren durch vielfältige Herausforderungen belastet: Pandemie, soziale Ungleichheit, Unsicherheit und Vertrauensverlust in Institutionen spielen eine entscheidende Rolle.
Im Alltag werden Einsatzkräfte vielfach als Repräsentanten von Ordnung wahrgenommen, die bei Konflikten und Notlagen als erste zur Stelle sind. Doch viele Menschen sehen hinter der Uniform nicht den Menschen mit seinen Ängsten und Sorgen. Dies führt zu einem Mangel an Respekt und Wertschätzung, der sich in verbaler und körperlicher Gewalt äußert.
Psychosoziale Faktoren, welche die Gewalt begünstigen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Frustration und Hilflosigkeit: Menschen in Not sind oft überfordert, verzweifelt oder wütend und richten dies gegen die Helfer.
- Angst vor Kontrollverlust: Unvorhersehbare Situationen schaffen Verunsicherung, auf die manche mit Aggression reagieren.
- Individualisierung gesellschaftlicher Probleme: Konflikte, die eigentlich im größeren sozialen Kontext liegen, entladen sich am Einsatzpersonal.
- Mangelnde Aufklärung: Fehlendes Verständnis für die Arbeit und Belastungen der Rettungskräfte fördert Missverständnisse.
Der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, beschreibt die Lage als „unhaltbar“ und fordert sowohl von der Politik als auch von der Gesellschaft Maßnahmen, welche den Rückhalt für die Einsatzkräfte stärken und Gewalt nachhaltig eindämmen.
Um Schutz und Sicherheit zu erhöhen: Präventive Maßnahmen und technische Hilfsmittel
Angesichts der bedrohlichen Situation setzen Rettungsdienste und Feuerwehren verstärkt auf Prävention und innovative Schutzmaßnahmen. Bereits im Jahreswechsel 2024/2025 zeigten sich zahlreiche Übergriffe auf Einsatzkräfte – an vielen Orten wurden neue Strategien eingeführt, um Sicherheit und Respekt zu verbessern.
Wichtige Ansätze zur Reduktion von Gewalt und zur Erhöhung der Sicherheit:
- Bodycams für Einsatzkräfte: Diese Kameras können Übergriffe aufzeichnen, was einerseits deeskalierend wirkt und andererseits bei der Strafverfolgung hilfreich ist.
- Dashcams in Einsatzfahrzeugen: Ähnlich wie Bodycams helfen sie dabei, Vorfälle zu dokumentieren und die Beweislage zu sichern.
- Polizeibegleitung bei Einsätzen mit erhöhtem Risiko: Bei bestimmten Gefahrenlagen werden Einsatzkräfte von der Polizei unterstützt, um die Situation besser kontrollieren zu können.
- Spezielle Deeskalationstrainings: Schulungen wie jene von Johannes König sollen Rettungskräfte befähigen, aggressive Situationen besser zu bewältigen und Gewalt zu vermeiden.
- Gesetzliche Verstärkungen: Verabschiedungen strengerer Gesetze, die Angriffe auf Einsatzkräfte mit härteren Strafen belegen, sollen abschreckend wirken.
Die INTERSCHUTZ 2026, die weltweit größte Fachmesse für Rettungsdienst, Feuerwehr, Sicherheit und Bevölkerungsschutz in Hannover, widmet sich intensiv diesem Thema. Hier werden neue Technologien, Schutzkonzepte und politische Strategien vorgestellt, um die Sicherheit der Einsatzkräfte langfristig zu verbessern.

Alltägliche Erfahrungen aus dem Rettungsdienst: Geschichten und Herausforderungen von Einsatzkräften
Anne-Katrin Mendoza, Notfallsanitäterin und Leiterin einer Rettungswache in Nieder-Olm, berichtet aus dem Einsatzalltag: Gewalt gegen Rettungskräfte kommt leider häufig vor, aber oft ist sie nicht mutwillig, sondern folgt aus der Situation mit dem Patienten. Viele Übergriffe entstehen aus Verzweiflung, Angst oder Krankheitsbildern, etwa bei Unterzuckerung oder psychischen Krisen.
Sie betont, dass gerade Frauen im Rettungsdienst oft mit Vorurteilen konfrontiert werden, bei denen ihre Kompetenz infrage gestellt wird. Zudem haben sich Verhalten und Umgang mit Störern durch die Verbreitung von Handyaufnahmen verändert. Gaffer filmen mittlerweile oft sofort und nehmen Anweisungen der Einsatzkräfte kaum noch ernst, was die Arbeit erschwert.
Erfahrungen und Herausforderungen im Überblick:
- Physische und verbale Übergriffe sind Alltag und Teil der Belastung
- Situationsbedingte Aggressionen bei Patienten erfordern professionelles Deeskalationsverhalten
- Vorurteile gegenüber Rettungskräften, insbesondere Frauen, erschweren die soziale Anerkennung
- Umgang mit Gaffern wird zum Problem, gesetzliche Maßnahmen greifen nicht immer sofort
- Hohe psychische Belastung durch ständige Konfrontation mit Aggressionen
Herausforderung | Beschreibung | Maßnahmen & Empfehlungen |
---|---|---|
Aggression durch Patienten | Angriffe während körperlicher oder psychischer Krisen | Gezielte Schulungen in Deeskalation und medizinisches Verständnis |
Gaffer und Zuschauer | Behinderung und Störung an Unglücksorten durch Foto- und Videoaufnahmen | Gesetzliche Strafen, Einsatz von Polizei, Aufklärungskampagnen |
Soziale Vorurteile | Infragestellung der Kompetenz bei weiblichen Einsatzkräften | Öffentlichkeitsarbeit, Förderung der Diversität im Rettungsdienst |
Rechtliche Rahmenbedingungen und der gesellschaftliche Auftrag zum Schutz der Einsatzkräfte
Der gesetzliche Schutz von Einsatzkräften wurde in Deutschland in den letzten Jahren verstärkt. Der Bundestag befasste sich 2024 mit einer Gesetzesverschärfung, die Angriffe auf Rettungskräfte künftig schärfer ahnden soll. Ziel ist es, abschreckende Wirkung zu erzielen und den Rückhalt im Rechtssystem sichtbar zu stärken.
Zu den rechtlichen Maßnahmen gehören:
- Erhöhung der Mindeststrafen für tätliche Angriffe auf Rettungskräfte
- Erleichterung der Beweisführung durch Videoaufnahmen (Body- und Dashcams)
- Spezielle Regelungen gegen Gaffer, deren Verhalten zeitweise Gefängnisstrafen nach sich ziehen kann
- Zunahme der Polizeipräsenz bei Einsätzen mit hohem Gewaltpotenzial
- Verstärkte Zusammenarbeit von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei für effektiven Schutz
Der Schutz der Einsatzkräfte ist nicht nur eine Frage der inneren Sicherheit, sondern auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Denn die Bereitschaft der Helfer, in Gefahr zu gehen, ist nur dann gegeben, wenn sie sich sicher fühlen und von der Gesellschaft Rückhalt erfahren. Dies wirkt sich auch auf die Leistungsfähigkeit und Motivation aller Notdienst- und Rettungskräfte aus.

Wichtige Fakten im Überblick
Rechtsmaßnahme | Ziel | Erwartete Wirkung |
---|---|---|
Strafverschärfung § 114 StGB (Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte) | Erhöhung der Mindeststrafen bei Angriffen gegen Einsatzkräfte | Abschreckung und konsequente Verfolgung |
Erlaubnis für Bodycams und Dashcams im Einsatz | Dokumentation und Beweissicherung | Verbesserung der Strafverfolgung und Prävention |
Härtere Strafen für Gaffer | Reduzierung der Behinderung der Rettungskräfte | Höhere Verantwortlichkeit und Einfacheres Eingreifen |
Kooperation von Polizei und Rettungsdiensten | Erhöhung der Sicherheit bei riskanten Einsätzen | Schnellere Reaktion und Schutz der Einsatzkräfte |
FAQ – Häufige Fragen zur Gewalt gegen Rettungskräfte
- Wie oft kommt Gewalt gegen Rettungskräfte vor?
Über 50 % der Einsatzkräfte berichten, in den letzten zwei Jahren mindestens einmal angegriffen worden zu sein, bei Berufsfeuerwehrleuten sind es sogar bis zu 75 %. - Wer sind die Haupttäter bei Gewalttaten gegen Rettungskräfte?
Häufig sind es Patienten unter Einfluss von Alkohol, Drogen oder in psychischen Ausnahmesituationen; gezielte, mutwillige Angriffe stellen die Minderheit dar. - Welche Maßnahmen können Einsatzkräfte ergreifen, um sich zu schützen?
Deeskalationstrainings, das Tragen von Bodycams und bei Bedarf Polizeibegleitung sind zentrale Schutzmaßnahmen. - Welche Rolle spielt die Gesellschaft beim Schutz der Einsatzkräfte?
Respekt und Unterstützung aus der Bevölkerung sowie politische Maßnahmen sind entscheidend, um Gewalt langfristig zu reduzieren. - Was unternimmt die Politik gegen Gewalt an Rettungskräften?
Verstärkte Gesetzgebung, härtere Strafen und verbesserte Schutztechnologien werden eingeführt, um Einsatzkräfte besser zu schützen.